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Das Problem mit der Mess- und Regeltechnik bei Ionisationssystemen
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Im Rahmen unser Beratungstätigkeit treffen wir im Kundenkontakt immer wieder auf interessante Lösungskonzepte unserer Mitbewerber. Ein Punkt, der des Öfteren im Kontext der elektrostatischen Entladung fällt, ist das “Messen und Regeln” der Entladung.
Frei nach dem Motto "Mehr ist besser" wird hier versucht dem Kunden eine Kombilösung anzubieten, welche einerseits die elektrostatische Ladung des Materials erfasst und andererseits die Entladeelektrode auf Basis dieses Parameters "optimiert". Diese Systeme bestehen aus einer Entladeelektrode sowie einem elektrostatischen Feldstärkemessgerät.
Im Prinzip klingt dieser Ansatz durchaus sinnvoll, und somit ist es auch kein Wunder das viele Kunden zu dieser Lösung tendieren, da ihnen eine Prozesssicherheit suggeriert wird, die in dieser Form gar nicht exisitiert oder nötig wäre.
Dieser Ansatz hat jedoch einige eklatante Probleme:
1.) Die Feldstärkemessung
Durch das namensgebende Problem der Elektrostatik, eben der statischen (unbeweglichen) Verteilung elektrischer Ladung, ist es nicht möglich auf Basis eines Feldstärkemessgerätes die Aufladung auf einer großen Fläche sauber zu erfassen.
Elektrostatische Ladungen entstehen durch Kontakt und Trennungsvorgänge. Dabei bestimmen die Kontaktpartner die Polarität der Ladung. Die Oberflächenglattheit und die Kontakt- und Trennungsintensität die Höhe der Ladung. Passiert eine Materialbahn nun eine gerillte Walze ergibt sich auf der Oberfläche beim Ablaufen von der Walze ein Ladungsprofil. Dies geschieht im weiteren Verlauf der Produktionsmaschine nun mehrfach auf der Ober- und der Unterseite. Da sich die Ladung auf dem Material nicht bewegen kann entstehen somit sog. "Ladungsinseln", also örtliche Ansammlungen von Ladungsträgern.
Misst man nun mit einem Messgerät die Aufladung auf einer laufenden Bahn, so erhält man stets nur das Bild in einem begrenzten Bereich, einige Zentimeter weiter kann es schon wieder ganz anders aussehen!
Ferner ist das Messprinzip welches einer Feldmessung zugrunde liegt träge, das heißt es tritt ein "Verwischen" in Laufrichtung auf.
2.) Die Entladung:
Angenommen man hat nun eine repräsentative und zeitlich instantane Messung durchgeführt. Nun gelangt man an das nächste Problem: die sogenannte "Regelung" der Entladung.
In der Abbildung ist das Problem des Ansatzes zu erkennen; basierend auf einem sehr schmalen Ausschnitt in Längsrichtung wird versucht die Gesamtheit der Ladung auch in der Breite zu erfassen. Gleich so als versuchte man eine Bücherregalwand anhand des Inhalts eines Fachs zu beurteilen.
Somit kann es sein, dass der Ionisator voll in Richtung der gemessenen Polarität ausregelt, obwohl ein großer Teil der Fläche mit einer anderen Polarität geladen ist. Der Effekt dieses Verfahrens? Ein große Menge der Ladung verbleibt auf der Bahn!
Das System erfüllt damit den zugedachten Zweck nicht. Obendrein ist die zugrunde liegende Technik, für die Messung und Regelung sehr aufwendig.
Warum also den Aufwand treiben?
Der bessere Ansatz zur Entladung einer Materialbahn ist zum Glück auch deutlich einfacher: Die Menge macht´s!
Eine Ionisationssystem für diesen Anwendungsfall sollte ein Maximum an Ionen zur Verfügung stellen. Über die elektrostatische Feldwirkung werden die Ladungsträger, die zur Neutralisierung benötigt werden, angezogen und "verbraucht". Der verbleibende Überschuss fließt dann bei der nächsten Möglichkeit, zum Beispiel einem Metallteil ab, oder rekombiniert einfach mit gegenpoligen Ladungsträgern.
Zum Einen ist eine Regelung auf Basis der Aufladung der Oberfläche nicht sinnvoll, da diese Größe für eine Einstellung der Entladung irrelevant ist (hier kommen andere Faktoren zum tragen wie beispielsweise der Abstand zwischen Elektrode und Material). Zum anderen gibt es gar kein "Stellrad" welches sinnvoll zu beeinflussen wäre. Man mag denken das die an einer Entladeelektrode anliegende Hochspannung geregelt werden müsste. In der Realität ist dies jedoch nicht sinnvoll. Es macht schlicht keinen Sinn die Elektrode mit einer geringeren Hochspannung zu treiben als diese laut Datenblatt "verkraftet", da durch die anliegende Hochspannung kein Verschleiß eintreten kann. Auch ein Überschlag von der Elektrode zum Material ist nicht möglich, da die Elektrodenspitzen mit Schutzwiderständen beschaltet sind, welche einen möglichen Stromfluss begrenzen.
Fazit:
Es bleibt also festzustellen, dass eine Regelung der Elektrode auf Basis der Feldstärke auf dem Trägermaterial weder sinnvoll noch möglich ist. In diesem Fall ist weniger einfach mehr!
Dies soll jedoch nicht heißen, dass die Kombination aus Feldstärkemessung und elektrostatischer Entladung nicht nützlicher Synergien bietet.
Es ist vor allem im Rahmen der Prozessbeherrschung und -dokumentation sinnvoll ein Feldstärkemessgerät mit eingebauter Protokollierung einzusetzen um eine erfolgte Entladung zu dokumentieren und ein Warnsystem zu haben, welches eine abnehmende Effizienz der Entladeelektrode (durch Verschmutzung o.Ä.) rechtzeitig erfasst.